16. Oktober 2020

Obdachlos trotz Erwerbsarbeit

Frau G. arbeitet regelmäßig als Reinigungskraft. Doch das Geld reicht nicht für eine eigene Wohnung. Trotz Arbeit ist sie seit Monaten obdachlos. Ein Einzelfall? Nein, sagt Melanie Fritzer vom Haus Elisabeth, einem Tageszentrum für armutsbetroffene und obdachlose Menschen in Salzburg. Im Haus Elisabeth der Caritas werden vermehrt Freiwillige mit vielfältigen Interessen oder Talenten gesucht, um Klient*innen ein buntes Freizeitangebot zu ermöglichen.

Als „normal“ erachtete Lebensumstände, sind für viele ein schwer erreichbares Ziel

Ein warmes Essen, eine Dusche, die Wäsche waschen oder das Internet nutzen – das sind für die meisten selbstverständliche Alltäglichkeiten. Für andere Menschen jedoch nur durch Unterstützung erreichbar, etwa durch die Hilfe im Haus Elisabeth in der Stadt Salzburg. Damit sind nicht nur obdachlose Personen gemeint, sondern auch jene, die über eine eigene Wohnung verfügen und armutsbetroffen sind. „Wir bekommen auch Anrufe, wo Eltern Hilfe bei der Finanzierung von Schulzubehör benötigen“, erzählt die Einrichtungsleiterin.

In Österreich ist jeder siebte Mensch von Armut betroffen oder zumindest armuts- und ausgrenzungsgefährdet. Armut, Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit sind Themen, die in unserer Gesellschaft immer präsenter werden. Obdachlosigkeit umfasst Menschen, die keine Unterkunft haben und sich daher an öffentlichen Orten, Wärmestuben etc. aufhalten. Wohnungslosigkeit hingegen beschreibt die Situation von Personen, welche zwar keine eigene Wohnung haben, aber Obdach, etwa bei Freunden oder Familienangehörigen, finden. Dabei sind die Hintergrundgeschichten genauso vielfältig, wie die davon betroffenen Menschen. „Manche Klient*innen haben zum Beispiel eine Scheidung durchgemacht, waren finanziell von ihren Partner abhängig und erlitten eine Depression. Es passiert dann relativ schnell, dass man wegen eines nicht beglichenen Mietrückstandes vor verschlossener Türe steht. Wie wir im Team in den letzten Jahren beobachten konnten, führen auch zunehmend psychische Probleme oder Jobverluste teilweise sehr rasch dazu, dass man obdachlos wird. Vor allem, wenn man nicht genug sozialen Rückhalt durch Freunde oder Familie hat“, berichtet Frau Fritzer. Oft wird vergessen, dass es nicht einfach ist, ohne Gehalt oder durch stark gekürzte Sozialbezüge über die Runden zu kommen und damit Strom, Miete, etc. zu bezahlen.

Vorurteile und Scham als zusätzliche Hürde

„Eine weit verbreitete Vorstellung ist, dass Armutsbetroffene nicht arbeiten würden. Jedoch sind viele unserer Klient*innen, wie Frau G., berufstätig und leiden unter prekären Arbeitsverhältnissen und darunter, dass sie zu wenig Gehalt bekommen. Auch Vorurteile bezüglich vermeintlicher Ungepflegtheit treffen nicht zu. Unseren Klient*innen ist es wichtig, gepflegt zu sein, zu duschen und ihre Wäsche zu waschen. Menschen, die unter Armut und Obdachlosigkeit leiden, wollen nicht, dass man ihnen ihre Situation ansieht. Sie wollen dazugehören, so wie jeder andere Mensch auch“, erzählt Melanie Fritzer. Ein weiteres Vorurteil umfasst Suchtproblematiken. Diese sind jedoch nur teilweise Auslöser, oftmals eher Begleiterscheinungen von Obdachlosigkeit. Viele Betroffene distanzieren sich komplett davon.

Ein zusätzliches Problem ist, dass obdachlose Personen oft nicht als ebenbürtige Menschen wahrgenommen werden, die ihre eigene Geschichte zu erzählen haben. So sind nicht nur die mangelnde Möglichkeit, Grundbedürfnisse zu decken, sondern ebenso fehlendes Verständnis, Scham und ein Ausschluss aus jeglichen kulturellen und sozialen Aktivitäten gravierende Benachteiligungen mit denen Betroffene konfrontiert sind. Aus ihren Erfahrungen durch zahlreiche Beratungsgespräche berichtet die Sozialarbeiterin folgendes: „Einige Personen standen bis vor kurzem noch gefestigt im Leben, hatten einen fixen Job und ein gutes Einkommen. Durch einen Schicksalsschlag, etwa durch Verlust der Arbeit aufgrund einer Krankheit, ändert sich so manche Situation gravierend.“ Besonders problematisch sind für Betroffene vor allem die steigenden Mietpreise am privaten Wohnungsmarkt in Salzburg, speziell für Singlewohnungen. „Die Themen Armut, Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit sollen anders aufgefasst werden“, hofft Frau Fritzer. Die Personen, die auf der Straße leben, seien nur ein kleiner Prozentsatz von den Menschen, die tatsächlich betroffen sind.

Das Haus Elisabeth

Armutsbetroffene, wohnungslose und obdachlose Personen bekommen im Haus Elisabeth die Möglichkeit, eine warme Mahlzeit, einen Kaffee oder Tee zu sich zu nehmen, zu duschen, Wäsche zu waschen sowie Computer oder das Internet zu nutzen. Vor allem jedoch sieht sich das Haus Elisabeth als Ort der Begegnung, der Betroffenen kulturelle und soziale Teilhabe gewährleisten soll. So sind auch Nichtbetroffene herzlich dazu eingeladen, das von einem Restaurant gelieferte Menü zu genießen und durch den Austausch mit Betroffenen zu mehr Inklusion beizutragen.

Mindestens 50 warme Mahlzeiten werden täglich ausgegeben, wobei es an „guten“ Tagen bis zu 90 Portionen sein können. Dies ist vor allem in den Wintermonaten der Fall, in denen viele Personen ihre Wohnung aus Kostengründen nicht oder kaum beheizen können. Doch auch die Corona-Krise zeichnet sich im Haus Elisabeth ab. „Wir merken, dass sich nun deutlich mehr Personen in finanzieller Not befinden“, berichtet Melanie Fritzer. Neben dem Tageszentrum bietet das Haus Elisabeth der Caritas eine Winternotschlafstelle für 20 Frauen und eine Sozialberatungsstelle. Ein besonderes Highlight ist zudem die ehemalige Elisabethbühne, welche sich im Haus befindet. Zukünftig soll die Bühne vermehrt für Konzerte, Vorträge oder Kabarett genutzt werden und so als Plattform dienen. „Der Alltag im Haus Elisabeth gestaltet sich sehr vielseitig. Was ich besonders bemerkenswert finde ist, dass viele Klient*innen, trotzdem sie wenig haben und sich teilweise in argen Notsituationen befinden, ihren Humor nicht verlieren. Es ist eine wertvolle Erfahrung zu sehen, wie sich Menschen über ein gutes Essen oder darüber, dass ihnen jemand zuhört, freuen. Das bringt mich selbst oft zum Umdenken. In solchen Situationen erscheinen persönliche Probleme, im Vergleich zu derartigen Schicksalsschlägen, plötzlich gar nicht mehr so relevant“, erzählt Frau Fritzer.

Sozialer und kultureller Ausgrenzung vorbeugen durch Talente von Freiwilligen

Auch im Haus Elisabeth stellt freiwilliges Engagement einen äußerst wichtigen Faktor dar. Einerseits weil Klient*innen den Austausch mit freiwilligen Mitarbeiter*innen sehr schätzen, da diese oftmals neue Perspektiven einbringen. Andererseits erweist es sich als ebenso positiv für freiwillig Engagierte, insbesondere für jene, die anfangs skeptisch eingestellt, beziehungsweise Berührungsängste gegenüber obdachlosen Menschen empfanden. „Während einer netten Unterhaltung bei einem Kaffee, können viele Vorurteile genommen werden, da man erkennt, dass das Gegenüber genauso ein Mensch ist wie jede andere in Salzburg lebende Person auch“, schildert Melanie Fritzer.

Momentan helfen viele Freiwillige bei der Essensausgabe zu Mittag. „Uns liegt es jedoch sehr am Herzen, zukünftig diverse Freizeitangebote für unsere Klient*innen anzubieten. Daher sind wir auf der Suche nach Menschen mit unterschiedlichen Talenten, die sie für andere einbringen möchten. Schön wäre es beispielsweise, wenn jemand einen Malkurs oder einen Gesangsabend leiten würde. Genauso großartig wäre es, wenn etwa ein*e pensionierte*r Friseur*in Lust hätte, ab und zu zum Haare schneiden vorbeizukommen. Wir sind über jede Person froh, die uns und unsere Klient*innen unterstützen möchte. Besonders wichtig ist es uns, flexibel zu bleiben und uns nach den Interessen der Freiwilligen zu richten. Manche unserer Helfer*innen hatten anfangs auch Bedenken, ob ihnen der Bereich überhaupt liegen würde. Wir haben sie dann dazu eingeladen, unsere Einrichtung vor Ort kennenzulernen und der Großteil war danach sehr positiv überrascht“, erklärt die Einrichtungsleiterin des Haus Elisabeth.

Wer das Haus Elisabeth und dessen Klient*innen unterstützen möchte, kann sich gerne beim Freiwilligenzentrum Salzburg oder beim Haus Elisabeth melden!

 

Kontakt Freiwilligenzentrum Salzburg:
Marlies Blaschko, M.A.
Leitung Freiwilligenzentrum Salzburg
Aignerstraße 53
5026 Salzburg
+ 43 (0) 676 43 09 705
office@freiwilligenzentrum-salzburg.at | www.freiwilligenzentrum-salzburg.at

 

Kontakt Haus Elisabeth:
Melanie Fritzer, BA
Einrichtungsleitung Haus Elisabeth
Plainstraße 42a
5020 Salzburg
051760 5501
https://www.caritas-salzburg.at/hilfe-angebote/armut-krisen-und-praevention/haus-elisabeth/

Bildnachweis: Caritas Salzburg

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